Die ganze Welt

Theresia Walser / Karl-Heinz Ott

Wegen großer Nachfrage Verlängerung bis 05. Mai 2012


Spielzeit: März-Mai 2012
Dauer:
ca 2 Stunden
Darsteller: Regine Effinger, Sybille Denker, Peter Haug-Lamersdorf, Michael Schmitter

Regie: Hans Poeschl
Verlag: Rowohlt Theater Verlag

 

Richard und Regina leben zurückgezogen. Früher haben sie ausschweifende Partys gefeiert, doch nun genießen sie die Ruhe der Abgeschiedenheit. Das Nachbarpaar Dolf und Tina glaubt, die beiden aus ihrer vermeintlichen Lethargie wecken zu können, und steht mit Wein und Häppchen vor der Tür. Sie konfrontieren Richard und Regina mit ihrer schonungslosen Offenheit. Zwei konträre Lebensentwürfe prallen aufeinander und der folgende Schlagabtausch bleibt kein verbaler …

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Badische Zeitung vom 29. März 2012 von Heidi Ossenberg

Lieber eine Kur machen

Hans Poeschl bringt Theresia Walsers und Karl-Heinz Otts Stück "Die ganze Welt" auf die Bühne.

Ob in Yasmina Rezas "Gott des Gemetzels" oder in Edward Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?": Paare, die zu zweit allein sind und deren Lebenslügen vorzugsweise dann implodieren, wenn ein anderes Paar zugegen ist, sind Theaterbesuchern vertraut. Im Publikum amüsiert man sich über sie, oft ist es ein befreiendes Lachen, auch ein feines, wissendes Schmunzeln, doch hin und wieder auch ein entsetztes Aufschreigelächter: Letzteres, wenn man sich durch Worte und Gesten auf der Bühne erkannt fühlt im eigenen Alltag mit dem Menschen, den man liebt – oder zu lieben glaubt.

Die Bandbreite dieser Reaktionen war jetzt auch im Wallgraben-Theater zu beobachten bei der Premiere von "Die ganze Welt". Das gemeinsame Stück des Freiburger Schriftstellerpaars Theresia Walser und Karl-Heinz Ott ist im Herbst 2010 im Nationaltheater Mannheim uraufgeführt und nun von Hans Poeschl mit feinem Humor, angemessenem Furor und guter Darstellerführung auf die Kellerbühne gebracht worden.

Im ersten Akt sind Regina und Richard allein auf ihrer von einer hellen, mit Efeu bewachsenen Mauer begrenzten Dachterrasse. Sie sind von den Nachbarn eingeladen, jedoch froh, diese Einladung ausgeschlagen zu haben: Die Ärztin und der freie Schriftsteller mögen sich nicht mehr mit den verbalen Belanglosigkeiten Dritter belasten, zumal, wenn diese mit Bier und Nudelsalat serviert werden. Ihre Lösung ist einvernehmlich-pragmatisch: "Inzwischen sagen, wir, wenn wir eingeladen werden: Wir machen eine Kur." Doch im zweiten Akt kommen die Gastgeber Tina und Dolf, die im selben Haus wohnen, einfach rauf und nötigen Regina und Richard, Schnitzel, Salat und Rotwein zu konsumieren – und darüber hinaus Zeugen diverser Beichten zu werden: Affären, Phantasien, Vorurteile. Im dritten Akt schließlich sind Regina und Richard wieder allein – und doch sind Tina und Dolf mit anwesend, denn die Figuren spielen die ganze Zeit mit allen Identitäten: subtil, intelligent, körperbetont und dabei sprachlich auf höchstem Niveau.

Walser und Ott haben mit ihren vier Figuren zwei nahezu ideale Gegensatzpaare erdacht, die im Wallgraben-Theater von vier dafür ideal besetzten Schauspielern verkörpert werden: Regine Effingers Ärztin Regina ist lebensklug, dominant und leidenschaftlich – angesichts der Krebserkrankung von Richard, die sie ihm verheimlicht, aber auch zweifelnd, weich. Wenn sie Richard erzählt, dass in Japan glückliche Paare schweigen, so thematisiert sie damit, worum es in dem Stück geht: um Nähe und wie sie zwischen Menschen zustande kommt, um den Wert von Kommunikation und Ritualen. Sybille Denkers Tina hingegen ist naiv, dreist und schwatzhaft. Ihre Art zu kommunizieren drückt sie mehrfach in dem Satz aus: "Ich muss immer alles sagen, sonst krieg ich Krebs." Also schwadroniert sie von ihrer Affäre mit ihrem Zahnarzt und macht aus ihrer Abneigung gegen Kinderlose – wie es vermeintlich Regina und Richard auch sind –, deren Egoismus der Staat nicht einmal bestraft, keinen Hehl.

Michael Schmitters Richard ist ein großer Schmerzensmann mit messerscharfem Verstand. Er genießt das Spiel mit seiner Partnerin – obwohl er ihr im Alltag oft unterlegen ist. Ein Würstchen schließlich ist Peter Haug-Lamersdorfs Dolf. Lächerlich schon wirkt die Reduktion seines Namens Rudolf – und auch seine Männlichkeit fällt zusammen, wenn er zugeben muss, dass er seine Frau schlägt.

Hans Poeschl hat sich in diesem dialogbetonten Stück klugerweise für die zusätzliche Dimension der Körperlichkeit entschieden: Das vertieft die Dynamik und hält den Spannungsbogen in diesem 80-minütigen Kammerspiel aufrecht, das wunderbar auf die Wallgraben-Bühne passt. Weil es ein gutes Stück ist, weil alle Beteiligten daraus eine beeindruckende Ensembleleistung machen. Langer Beifall mit Bravo-Rufen!


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

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79098 Freiburg

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