Kritiken

Pension Schöller von Wilhelm Jacoby und Carl Laufs

Badische Zeitung vom 30.07.2010

Theater unter freiem Himmel zeichnet sich gerne aus durch viel Bewegung, große Schauspielergesten und ein plakatives Bühnenbild, das zudem oft die natürliche Umgebung mit einbezieht: Damit der Zuschauer, der draußen womöglich durch stechende Insekten, brummende Hubschrauber, schlagende Uhren – oder gar prasselnden Regen – abgelenkt werden könnte, dem Geschehen dennoch konzentriert folgen kann. Ein Gesetz freilich ist das soeben Beschriebene nicht – und durch die neueste Produktion des Wallgraben-Theaters in ihrem Sommerspielort Rathaushof wird es sogar widerlegt – auf, das soll schon mal verraten werden, originelle und charmante Art und Weise.


Die Bühne für das vor 120 Jahren uraufgeführte Lustspiel "Pension Schöller" ist requisitenlos. Eine mit schwarzem Stoff bespannte Wand versperrt den Blick auf Türen und Fenster des historischen Rathauses, ein schwarzer Paravent auf der Bühne dient als Auf- und Abgang sowie als Eingang zu diversen Zimmern. Von besonderer Bedeutung ist das auf Oberschenkelhöhe der Schauspieler angebrachte weiße Podest: Es macht aus der Bühne eine Art Kasperletheater. Die sechs Darsteller werden durch an die Kostüme angebrachte Schuhe in eben dieser Oberschenkelhöhe auf groteske Art liliputisiert. Folglich sind auch ihre Bewegungen eher minimalistisch, sie tippeln und hüpfen; wenn sie miteinander sprechen und spielen, geschieht das stets auf engem Raum. Und obwohl man sich diese Produktion, die der Ulmer Theaterintendant Andreas von Studnitz aus der Donaustadt mitbrachte und für Freiburg neu inszenierte, genau so gut auf der Kellerbühne vorstellen kann, funktioniert sie wunderbar unter dem sommerlichen Abendhimmel. Zweifellos liegt das auch an den Schauspielern des Wallgraben-Theaters.


Doch zunächst zum Inhalt: Philipp Klapproth, ein schwäbischer Gutsbesitzer, möchte bei einem seiner Ausflüge nach Berlin etwas erleben, womit er zu Hause angeben kann. Er beauftragt seinen Neffen Alfred, ihn in eine "Privatklinik für Gestörte" einzuschleusen – aus purer Lust am Voyeurismus. Der skrupulöse Alfred sucht Rat bei seinem Freund Ernst, der die Idee hat, Klapproth in die Pension Schöller mitzunehmen, da sich dort allenthalben exzentrische Gäste einquartieren, denen man eine gewisse Verrücktheit nicht abstreiten kann...


Wilhelm Jacoby und Carl Laufs’ Lustspiel "in drei Aufzügen" ist ein Schwank, der seine Komik aus permanenten Missverständnissen und Verwechslungen bezieht: also aus Sprache und Kostümierung. Viel Sorgfalt hat von Studnitz auf die Figurenzeichnung gelegt – und auf die Besetzung. Hans Poeschl ist ein urkomischer Klapproth, der – als gebürtiger Ulmer – nach Herzenslust schwäbeln darf. Die allen Charakteren durch die kurzen Beine und die Bühnengestaltung auferlegte gewisse Statik befeuert die Komik, die Poeschl etwa durch seine kieksende, sich überschlagende Stimme so herrlich zum Ausdruck bringt. Grandios witzig ist auch Ives Pancera, der sowohl den Neffen Klapproths als auch den des Pensionsbesitzers spielt: Als Alfred schwyzerdütscht der gebürtige Basler, als Eugen verkörpert er so überzeugend einen Möchte-Gern-Schauspieler mit Sprachfehler, dass man als Zuschauer aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommt. Regine Effinger beweist einmal mehr ihre enorme Wandlungsfähigkeit, indem sie in gleich drei Frauenzimmerrollen auf die Bühne tritt: als Schundroman schreibende Josephine, als Püppchen-Tochter Franziska und als nervige Heiratsanbahnerin Amalie. Spielfreude und Sprachverstand zeigen auch Peter W. Hermanns, Burkhard Wein und Sabine Bräuning – eine tolle Ensembleleistung, die dem Zuschauer einen unterhaltsamen, erfrischend ungewöhnlichen Theaterabend beschert (Heidi Ossenberg, BZ).




Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

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