Offener Brief des Wallgraben Theaters

Liebe Freunde des Wallgraben Theaters,

Im vergangenen Jahr gab es leider wenig Theater auf der Kellerbühne des Wallgraben Theaters. Im Angesicht einer weltweiten Pandemie war wenig Raum für Kunst und Wirtschaft in unserer GbR. Inzwischen lebt die gesamte Kulturbranche fast ein Jahr im Lockdown, wie beispielsweise die Aktion #kulturgesichter eindrucksvoll bebildert. Genug Zeit um daraus zu lernen. Mittlerweile gibt es andere, recherchierte und bessere Maßnahmen als die aktuellen Rundumschläge von Verboten und Schließungen.
In einer Demokratie sind Politiker oft so mit sich selbst beschäftigt, um „alle unter einen Hut zu bringen“ dass sie das Ziel schnell aus den Augen verlieren. Weil die Energie in den Gesprächsrunden stecken bleibt, wie wir an den Treffen der Ministerpräsidenten sehen konnte. Mit dem Verweis auf das Gemeinwohl gilt deswegen schnell die Parole „Je höher die Ansteckungsgefahr, desto mehr bleiben wir zuhause.“ Dass dabei häufig die zielgerichtete Anpassung an bestimmte Bereiche auf der Strecke bleibt, wollen wir gerne am Beispiel unserer eigenen Bemühungen aufzeigen.

Als Theater sehen wir uns in der Verpflichtung für den Schutz unserer Gäste, Schauspieler und Mitarbeiter Sorge zu tragen. Uns geht es nicht darum die Gefahren der Pandemie zu verharmlosen oder sogenannten Querdenkern und Coronaleugnern nach dem Wort zu reden.

Aber wir sind der Überzeugung, weder mut- noch tatenlos sein zu müssen. Bei aller Ungewissheit in dieser Krise gibt es auch gesicherte Erkenntnisse, was uns schützen kann. Inzwischen sind medizinische Masken, Abstandhalten, Hände desinfizieren und eine allgemeine Achtsamkeit wichtiger Teil unseres Alltags geworden.

Diese Maßnahmen können uns nicht nur im täglichen Leben, beim Einkaufen oder dem Treffen mit Freunden und Familie schützen. Die selbe Schutzwirkung haben sie, in Form eines gut ausgearbeiteten und umgesetzten Hygiene-Konzeptes, beispielsweise auch bei einem Theaterbesuch. Wir konnten bereits bei den Rathaushoffestspielen im Sommer 2020 mit einem schlüssigen Konzept einen sicheren und angenehmen Theaterbesuch im Freien ermöglichen. Parallel dazu lief die Suche nach einer Ausweichspielstätte, da wir uns als Team des Wallgraben Theaters früh einig waren, nicht ohnmächtig abwarten zu wollen. Mit dem Umbau des ehemaligen Autohaus Südwest konnten wir unseren Gästen im geräumigen Theatersaal und im großen Bar- und Empfangsbereich mehr Platz anbieten, als gemein hin gefordert. Gleichzeitig schufen wir Ausstellungsraum für zahlreiche bildende Künstler, denen in der Krise ebenfalls die Bühne fehlte, und gaben Chören die Möglichkeit zu Proben.

Aktuelle Modellversuche und Studien zeigen, dass der Besuch einer Veranstaltung, bei der sich streng an solche Hygiene-Konzept gehalten wird, kein erhöhtes Infektionsrisiko bietet.

Siehe hierzu:

Viele Wissenschaftler, Politiker, Bürgervertreter und Künstler vertreten deshalb die Ansicht, dass undifferenzierte, alles umfassende bundesweite Schließungsmaßnahmen auf Dauer verhältnislos, kurzsichtig, ja einfallslos und vor allem sehr schädlich für die Betroffenen sind.

Natürlich sind wir mit derartigen Bemühungen nicht allein. Im Gegenteil. Wir trafen auf viel Zuspruch, Bestärkung und auf andere ebenso Vorausdenkende, mit denen wir gemeinsam an einem alternativen Lösungsansatz arbeiten. Das Freiburger Unternehmen RESERVIX beispielsweise hat COVID19-Antigen-Schnelltests von einer Tochterfirma entwickeln lassen. Diese setzen wir am Wallgraben Theater bereits regelmäßig im Rahmen unseres eingeschränkten Probenbetriebs ein. Diese Schnelltests sollen zeitnah auch für Privatpersonen zugelassen werden, wie unter anderem Gesundheitsminister Jens Spahn fordert. Dies würde uns ermöglichen, jeden Theatergast vor Vorstellungsbeginn zu testen. So könnten wir in einem Pilotprojekt für sicherere Veranstaltungen mit minimierter Ansteckungsgefahr  als Vorreiter der Branche dienen.

Wir glauben, dass die baldige Öffnung von Theatern und Kulturstätten - unter Einhaltung dieser Sicherheitsvorkehrungen - ein essenzieller Schritt ist, um unser soziales und kulturelles Leben zu erhalten.

Dennoch reichen all diese Bemühungen für sich genommen nicht aus. So können wir als Theater zwar für eine sichere Veranstaltung Sorge tragen, doch damit ist der Weg zu einem Theaterbesuch, etwa mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, noch nicht risikolos. Hier würden zB. doppelte Fahrfrequenzen oder Fahrzeiten für bestimmte Altersgruppen, sowie das Angebot von Masken und Schnelltests helfen. Jetzt ist insbesondere die Politik gefragt, Bereitschaft, Flexibilität und Vorausdenken zu demonstrieren. Die Stadt Tübingen stellt hierfür ein gutes Beispiel dar. Gemeinsam könnte man so aktiv Sicherheit und Schutz für die Bevölkerung anbieten, ohne das gesamte öffentliche Leben auf unbestimmte Zeit einzufrieren.

Wir müssen lernen mit dem Virus zu leben, denn Covid19 ist mit einer Impfung eben nicht vom Erdball verschwunden. Wir bitten um Zuspruch, unsere Veranstaltungen in der dafür eingerichteten Coronaausweichstätte wieder anbieten zu können.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Wallgraben Theater


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

Wallgraben Theater

Rathausgasse 5a
79098 Freiburg

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