Kritiken

Es war die Lerche von Ephraim Kishon

Badische Zeitung vom 16.07.2007

Romeo mit Wärmflasche, Julia in Lockenwicklern

Momo nennt sie ihn - doch die zärtliche Anrede täuscht. Längst schon ist Romeo nicht mehr der beste Ehemann von allen für Julia. 29 Jahre sind vergangen seit der heimlichen Trauung in Pater Lorenzos kleiner Kapelle in Verona. Und aus dem größten Liebespaar aller Zeiten ist ein gleichgültiges Ehe- und Elternpaar geworden.

Er erwacht mit einer Wärmflasche im Arm, der er den Namen Lisa gegeben hat, sie mit spitzen Lockenwicklern in den Haaren, die nicht zuletzt ihre emotionale Distanz zu Romeo deutlich machen. So wollte es Ephraim Kishon, der Anfang der 1970er-Jahre "Es war die Lerche" als Fortsetzung zu und Satire auf Shakespeares "Romeo und Julia" schrieb. Unter der Regie von Heidemarie Gohde spielt das Wallgraben Theater Freiburg das "heitere Trauerspiel" in diesem Jahr im Rahmen seiner 32. Rathaushofspiele.


Viel ist passiert in diesen Ehejahren, auf die das Paar, gespielt von Regine Effinger und Till Kretzschmar, mit Spott und Ironie, aber auch mit einer gewissen Verzweiflung zurückblickt. Romeo ist Ballettlehrer geworden; das Geld, das er verdient, reicht so gerade zum Leben, nicht jedoch, um seiner verwöhnten Gattin eine angemessene Behausung und ein Dienstmädchen zu finanzieren. Und so muss Julia, die sich mit ihrer reichen Mutter verkracht hat, alleine den Haushalt führen - und sich zudem um die pubertierende 14-jährige Lucretia kümmern. Das Kind macht den zänkischen Eltern Sorgen, thematisiert es doch mit kindlicher Grausamkeit und Scharfsinn den Zustand ihrer Ehe: "Ihr könnt euch nicht leiden. Romeo und Julia - was wisst ihr schon von der Liebe?"


Einer, der meint, von Liebe alles zu verstehen, ist der eigentlich längst verstorbene Dichter William Shakespeare. Dass die Sache mit dem geplanten dramatischen Tod seines jugendlichen Traumpaares Romeo und Julia so gescheitert ist, treibt ihn aus seinem Grab zurück nach Verona: "Aus meinem schönsten Liebesdrama ist ein Possenspiel geworden" , klagt Shakespeare (Hans Poeschl) angesichts des verkrachten Paares. Kurze Zeit sieht es so aus, als ginge Shakespeares Plan, Romeo und Julia doch noch im Tode friedlich vereint zu sehen, auf. . .


Kishons Stück, 1974 in Tel Aviv uraufgeführt, eignet sich vorzüglich für einen heiteren Theaterabend - wenn auch die Slapstickeinlagen manchmal ein wenig dick aufgetragen sind. Die Dialoge sind so spitzzüngig wie komisch. Kishon hat Alltagssprache mit dramatisierter Kunstsprache à la Shakespeare gemischt und lässt seine Protagonisten nicht nur Zitate aus "Romeo und Julia" sondern ebenso aus "Hamlet" oder "Macbeth" sprechen.


Die vom Autor so konzipierten übertrieben emotionalen und theatralischen Charaktere finden in den Wallgraben-Schauspielern ihre überaus passenden Entsprechungen: Regine Effinger gibt eine ebenso temperamentvoll-zickige Julia wie eine überspannte Lucretia wie eine liebestolle alte Amme. Till Kretzschmar brilliert als sexuell frustrierter, geldgeiler Versager Romeo und setzt als tollpatschiger, lüsterner Pater Lorenzo noch eins drauf. Hans Poeschl scheint sich als Frauenversteher Shakespeare und Theaterdirektor manchmal etwas zu bremsen ? freilich nicht, als er nach der Pause so überzeugend quer über die Bühne stirbt, wie es keiner seiner tragischen Helden besser hätte tun können. (Heidi Ossenberg)


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

Wallgraben Theater

Rathausgasse 5a
79098 Freiburg

Gefördert durch
Deutscher Bühnenverein