Kritiken

PingPong von Michael Frayn

Badische Zeitung vom 09.11.2007

Moderne Zeiten. Hätte Charlie Chaplin diesen Titel nicht schon für seinen 1936 uraufgeführten genialen industrialisierungskritischen Film verwendet, er würde auch zu der Komödie des Briten Michael Frayn passen, der jetzt im Freiburger Wallgraben-Theater Premiere hatte. Mensch und Technik - ein grundsätzlich ernstes Thema, das aber bei Frayn (Jahrgang 1933) so humorvoll zugespitzt wird, dass man gar nicht anders kann, als sich zwei Stunden lang köstlich zu amüsieren. In "Ping Pong" , wie das Stück nun tatsächlich heißt, erlebt der Zuschauer mittels sechs Einaktern die Quintessenz des alltäglichen Wahnsinns, den Anrufbeantworter, Telefonanlagen, batteriebetriebene Rauchmelder, elektronische Hotelschlüsselkarten oder bis zur Schmerzgrenze technisch verstärkte Musik in ihrem Leben auslösen.


"Pieeeep, Ping, Summmmm, Klingelllliing, Brummmm" - macht die Technik. Die beiden Ehepaare, die zusammen gekommen sind, um einen netten Abend bei Wein und Ofengericht zu verbringen, sind der nervtötenden Geräuschkulisse nicht gewachsen. In klassischer "Tür-auf-Tür-zu" -Manier eines Mini-Boulevardstücks, in dem es immer auf das punktgenaue Timing ankommt, agieren Regine Effinger, Gabriele Zink, Peter Haug-Lamersdorf und Martin Herse in ihren blau-roten Trainingsanzügen unter der Regie von Robert Klatt souverän konfus. Ein extrem mobiles Bühnenbild unterstreicht das, was die Gesellschaft heute neben technikbegeistert vor allem sein muss: mobil.


Erscheint die erste Szene vor allem deshalb so komisch, weil die Situation so übertrieben dargestellt wird, speist sich die zweite Szene aus einer realistischen Begebenheit: Bei einem offiziellen Anlass im Büro spricht der Chef, die stehenden Angestellten lauschen mit Sektglas und Teller in der Hand, Infomappe unter dem Arm. Nun sollen sie abwechselnd trinken, klatschen, blättern - ein Ding der Unmöglichkeit! Auf der Theaterbühne eine urkomische Slapstick-Turnübung die im Zuschauerraum mit schallendem Gelächter belohnt wird.


Allseits bekannt ? wenngleich wieder maßlos zugespitzt - die dritte Szene, in der ein Anrufbeantworter die Hauptrolle spielt - die eines Tyrannen wohlgemerkt! Ist eigentlich schon mal jemandem aufgefallen, dass man mittlerweile mehr Zeit mit den Anrufbeantwortern verbringt als mit ihren Besitzern? Temporeich, fast atemlos hat der Abend begonnen, nach der Pause geht es etwas ruhiger weiter. Erneut treffen zwei Paare aufeinander, die sich Wand an Wand in einem dieser ausstattungsmäßig austauschbaren Standard-Hotels einquartiert haben. Einzig das Badezimmer ist mal an der einen, mal an der anderen Seite des Raumes. In welchem Land man sich befindet? Das wissen die beiden Frauen nicht, schließlich hat der Ehemann die Urlaubsreise organisiert. Das Treffen der beiden Duos geht - erwartungsgemäß - nicht ohne Missverständnisse ab; die dünnen Wände und die nächtliche Jagd nach einer Mücke sorgen für Peinlichkeiten, die von den vier Schauspielern jedoch erneut so gemeistert werden, dass sie sich nicht bis in die Zuschauerreihen fortsetzt.


Zum Abschluss wird der Bogen zurück zur Eingangsszene geschlagen - der Zuschauer sieht, was vom Dinner for four nach der Schlacht mit dem ständig im falschen Zimmer klingelnden Telefon, dem Rauchmelder, dem Folterinstrument Korkenzieher und der Autoalarmanlage übrig geblieben ist. Viel ist das nicht. Herzlicher Beifall. (Heidi Ossenberg)


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

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