Kritiken

Riverside Drive von Woody Allen

Badische Zeitung vom 30.05.2008

Jahreskarte für die Psychatrie
(Heidi Ossenberg, BZ)

"Sie sind nur der Neurotiker, ich bin der Psychopath! Sie können noch von mir lernen!" Hätten wir vorher nicht gewusst, worauf wir uns einlassen an diesem Abend, spätestens jetzt hätten wir einen Verdacht gehabt: Sätze dieses Kalibers stammen von Woody Allen, dem Stadtneurotiker schlechthin, der in alle seine Theaterstücke und Filme versponnen-intellektuelle Betrachtungen über das menschliche Miteinander einfließen lässt, der es wie kein anderer versteht, Poesie, Philosophie und Psychologie zu skurriler Unterhaltung zu verbinden.


So gibt es in seinem 2003 uraufgeführten Einakter für drei Schauspieler, "Riverside Drive" , den Christian Bronder jetzt für das Wallgraben Theater inszenierte, über weite Strecken nur die beiden "Sorten Mensch" : Den Neurotiker Jim, einen Schriftsteller mit Eheproblemen, und den Psychopathen Fred, einen promovierten Literaturwissenschaftler, der am Leben gescheitert ist.


Die beiden treffen sich - natürlich - in New York, ganz zufällig am Fuße des Hudson-River. Bronder hat die Kellerbühne des Wallgraben Theaters dafür in schmuddeliges Grau gehüllt und die Wände mit einer groben Steinmauer belegt. Martin Herse als Jim und Hans Poeschl als Fred agieren in diesem düster-kühlen Tunnel, nur eine Metallstange trennt sie vom unterirdisch plätschernden Fluss. Der nahezu nackte Raum zwingt die Schauspieler dazu, sich voll und ganz auf die Dialoge zu konzentrieren, auf das Miteinander, den Austausch, die Missverständnisse. Von Letzteren gibt es unendlich viele im Stück: Fred etwa glaubt irrtümlich, Jim habe die Idee zu seinem letzten Buch, das auch verfilmt wurde, von ihm gestohlen. Denn das Stück erzählt die Geschichte eines Mannes, der "eine Jahreskarte für die Psychiatrie gezogen hat" - wie Fred. "Sie haben mir mein Leben gestohlen!" wütet der. Und dafür will er nun mit viel Geld entschädigt werden. Was Jim natürlich ablehnt. Jim wiederum hat seiner Geliebten Barbara (Claudia Sutter) seines Wissens nach nie versprochen, ihretwegen seine Frau und die Zwillinge zu verlassen. Um mit Barbara Schluss zu machen, hat er sich mit ihr am Fluss verabredet. Barbara allerdings sieht die Sache anders und verlangt nun wenigstens einen finanziellen Ausgleich für die erlittene Schmach als verlassene Geliebte.


Das kurzweilige Stück, das sich, wie bei Woody Allen so oft, zum Ende hin zu einer Kriminalkomödie wandelt, lebt vom Zusammenprall der drei völlig unterschiedlichen Charaktere. Hans Poeschl spielt den durchgeknallten Fred mit souveräner Mischung aus wütender Unberechenbarkeit und cooler Abgeklärtheit. Der Grad von Freds Verwahrlosung und seines Verlorenseins in der Welt wird durch das zerstrubbelte Haar und den DreiTage-Bart nur angedeutet - alles andere besorgt die unmissverständliche Sprache. Martin Herse hat es nicht so leicht, seinem Jim ein eigenes Profil zu geben, doch spielt er sich im Laufe des Abends warm. Seine Figur ist weniger offensichtlich angelegt, er muss einem blassen und zaudernden Charakter Leben einhauchen und sichimLaufe des Stückes viel stärker wandeln als Poeschl. Die junge Schauspielerin Claudia Sutter legte in der Premiere Barbaras Überlegenheit Jim gegenüber manchmal eine Spur zu hastig an. Insgesamt aber passt sie als berechnende Zicke gut zu dem verrückten Männer-Duo.
Für das ganze Team gab es begeisterten Beifall.


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

Wallgraben Theater

Rathausgasse 5a
79098 Freiburg

Gefördert durch
Deutscher Bühnenverein