Kritiken

Der tollste Tag von Peter Turrini

Badische Zeitung vom 14.07.2008

Der korrupt-despotische Adel und das darunter leidende Volk — konkret: die darunter leidende Dienerschaft: Als bissige Satire auf die damaligen gesellschaftlichen Gegensätze in Frankreich hat Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais sein Stück "Der tolle Tag — oder Die Hochzeit des Figaro" geschrieben. Keine direkte politische Anklage, kein erhobener Zeigefinger, keine gekränkte Bitterkeit sollte das Stück durchdringen — vielmehr wurden die Damen und Herren des Adels der Lächerlichkeit preisgegeben. Dank Wolfgang Amadeus Mozart und dem Librettisten Lorenzo da Ponte überlebte der Stoff die vergangenen beiden Jahrhunderte — zudem erarbeitete der österreichische Dramatiker Peter Turrini Anfang der 1970er Jahre eine Komödienversion für die Theaterbühne. Das Freiburger Wallgraben-Theater hat sich Turrinis "Der tollste Tag" nun als 33. Sommerstück für die Rathaushofspiele ausgesucht, Regie führt Robert Klatt. Der holt aus der haarsträubend-verstaubten Geschichte vom Grafen Almaviava, der der Zofe seiner ihm langweilig gewordenen Gattin nachstellt und diese partout vor ihrer Hochzeit mit seinem Diener Figaro vernaschen will, alles heraus, was herauszuholen ist: Klatt setzt auf den Sprachwitz des Stückes, auf den Charme von leicht überdrehten Verwechslungskomödien, auf die unterhaltsame Wirkung von gesponnenen Intrigen sowie auf Humor und Leichtigkeit. Dabei kann er sich in allen Punkten auf sein Ensemble verlassen. Hans Poeschl spielt den Grafen als testosterongesteuerten Dummkopf, der ohne seinen Intriganten Bazillus (mit köstlich blasierter Arroganz: Peter W. Hermanns) völlig lebensuntüchtig wäre. Regine Effinger gibt der vernachlässigten Gräfin die angemessene Portion Eleganz und Würde. Als sie, um den Gatten im Garten an der Nase herumzuführen, in Zofe Susannes Dienstbotenkleid schlüpft und die schneeweiße Turmperücke der Adeligen durch eine blonde Zöpfefrisur ersetzt, wird Regine Effinger zur agilsten Figur auf der ganzen Bühne. Tempo- und variantenreich agieren auch Olga Heinz als Susanne und Tim Riedel als Figaro. Heinz, die zum ersten Mal für das Publikum des Wallgraben Theaters spielt, findet für ihre Zofe die richtige Mischung aus Demut und Frechheit. Ein weiterer Wallgraben Debütant ist Tino Leo, der mit Bravour die Herausforderung der Doppelrolle des Pagen Cherubin und des Richters meistert. Dass die Gerichtsszene dennoch ein wenig zu klamaukig daherkommt, kann dem erst Mitt- Zwanziger nicht angelastet werden. Hier wird das Bemühen des Stückeschreibers zu zeigen, wie unmöglich es ist, in einem absolutistischen Gesellschaftssystem Recht zu sprechen, so überzeichnet, dass es nicht mehr lächerlich wirkt, sondern langweilt. Dies Gefühl jedoch vergeht so schnell wie es gekommen ist: Vor allem, wenn eine weitere Perückenträgerin auf die Bühne stolziert, die Mätresse Marcelline, gespielt von Lisbeth Felder. Mit erstaunlicher Anmut trägt Felder ihre doppelstöckige, rote Turmfrisur und ihr Brautkleid ähnliches Kostüm, das sie wie ein Sahnebaiser aussehen lässt. Die aufwendigen Kostüme, für die Eva v. Reumont im 18. Jahrhundert Maß genommen hat, tragen viel zur Unterhaltung des Abends bei. In der aus wendbaren Trennwänden und wenigen Sitzgelegenheiten sowie einem Tisch bestehenden Bühne (Mitchel Raper) haben die Schauspieler angemessen Platz, ihrer Spielfreude Ausdruck zu verleihen. Dafür bedankte sich das Premierenpublikum mit langem Applaus. (Heidi Ossenberg, BZ)


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

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