Kritiken

Freunde zum Essen von Donald Margulies

Kultur Joker vom 05.01.2006

Leben zwischen den Gängen
Das Wallgraben Theater lädt "Freunde zum Essen" von Donald Margulies

Freunde wie Karen und Gabe [den einen nicht einfach nur im Essen ein. Kaum hat der Gast die bereit gelegten Ringelsocken übergestreift, darf er ihr gelungenes Leben abnicken: die Kinder, die Wohnung, den Urlaub und natürlich das Essen. Gut, wenn da Freunde den Lebensentwurf teilen und schon viel Zeit in den Ferien miteinander verbracht haben. Doch was, wenn die eigene Ehe gerade vor dem Aus steht Beth jedenfalls bricht heulend über der Limone-Mandorla-Polenta (mit Milch statt mit Wasser!) zusammen. Man kann es ihr nicht verdenken.


Donald Margulies' Komödie ?Freunde zum Essen", die der­zeit am Freiburger Wallgraben Theater in einer Inszenierung von Anatol Preissler zu sehen ist, nimmt das Älterwerden leicht. Zwei Paare kreuzen sich, sind ein Stück Lebensweg gemeinsam gegangen. Man wollte gemeinsam alt werden, die Kinder aufwachsen sehen, die Enkel verwöhnen. Und nun das. Nun scheren Beth und Tom einfach aus, er hat eine Stewardess, die in Wahrheit in einem Reisebüro arbeitet, sie den seit langem besten Sex mit ihrem Noch-Mann, der bald die Scheidung einreichen wird. Das kann auch Freunde außer Fas­sung bringen, schließlich könn­te dies einem selbst passieren. Doch diese Ahnung hält man sich am sichersten mit einer möglichst perfekten Oberfläche fern. Auf der Bühne ist das komisch, weil es so mensch­lich ist und der Zuschauer die Blicke und Mechanismen so gut von sich selbst kennt. Da möchte Karen (Regine Effinger) ihren Mann kein Stück am Urlaubsmythos des "sagenhaft frugalen" Essens einer italienischen Köchin miterzählen lassen, unterbricht ihn, wo sie kann, wenn es jedoch gilt der engsten Freundin in der Le­benskrise zuzuhören, würde sie sich gerne seine Einwürfe gefallen lassen. Doch Gabe (Hans Poeschl) schweigt beharrlich, natürlich, was sonst?


Autor Donald Margulies hat die Paarstruktur auch auf das Stück übertragen. Die Szenen korrespondieren miteinander und Anatol Preissler hat dafür ein Bühnenbild entworfen, das sich von der weiß gestrichenen Wohnküche schnell in eine Bar umwandeln lässt. Denn mal treffen sich die beiden Frauen, dann die beiden Männer, eine andere Szene führt zu dem Zeitpunkt zurück, als alles anfing. Damals auf dem Weingut, als Karen auf dem Heuballen sitzend die Paprika schnitt und Beth und Tom zu dem frisch gewordenen Paar wurden, zu dem sie ausersehen waren. Beth (Beate Maria Schwarzbauer) wirkte damals schon ein bisschen überdrehter, eine Künstlerin eben, wenn sie von dem tollen Licht am Meer schwärmt, wippen der Rocksaum ihres Sommerkleides und das Tuch im Haar fröhlich vor sich hin. Tom (Mark Kuhn) hingegen war schon immer ein so oberflächiger wie charman­ter Sonnyboy.


Das Scheitern ihrer Ehe führt Karen und Gabe vor, wie weit sie sich selbst von dem einst unbeschwerten Paar fortbewegt haben, das sie einmal waren. Wenn Gabes dunkler Blick bei Marks Erzählungen über sein neues Leben ahnen lässt, dass es mit seinem und Karens Liebesleben eher ruhig bestellt ist, hat das seine sehr komischen Seiten. Was jedoch mit einem gewissen Tempo serviert werden müsste, zieht Regisseur Preissler wie ein gutes Essen in die Länge. Nicht nur in der Küche ist vieles eine Sache des richtigen Timings.


Annette Hofmann


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

Wallgraben Theater

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Deutscher Bühnenverein