Kritiken

Revanche von Anthony Shaffer

Badische Zeitung vom 20.12.2010

Männer sind Spieler. Sie lieben die Herausforderung, das Risiko und den Wettkampf. Sie lieben es, Schicksal zu spielen und der Wirklichkeit die Möglichkeit entgegenzusetzen. Sie lieben es, den Gegner zu demütigen. Spiel ist die intellektuelle Variante des Kampfes. Je höher der Einsatz, desto größer der Genuss: In Anthony Shaffers Kriminalstück "Revanche" ist die Siegprämie eine Ehefrau, die zugleich Geliebte ist. Mag sein, dass der 1926 geborene und 2001 gestorbene Drehbuchschreiber und Autor, der Zwillingsbruder des ungleich erfolgreicheren Dramatikers Peter Shaffer, mit dieser Konstellation nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist.

Das ist nicht unbedingt erstaunlich: "Sleuth" – so der englische Originaltitel – ist vierzig Jahre alt, trotzdem aber, das soll nicht verschwiegen werden, nach 2007 zum zweiten Mal (mit Michael Caine und Jude Law) verfilmt worden.


Dass dieses Kammerspiel um zwei sich auf Leben und Tod belauernde Konkurrenten im Freiburger Wallgraben Theater ein wenig angestaubt wirkt, mag indes auch an Peter W. Hermanns Inszenierung liegen: Sie ist solide, aber auch ziemlich brav. Man fühlt sich mitunter in die gemütliche Atmosphäre eines Agatha-Christie-Krimis versetzt: Dabei hätte das Aufeinandertreffen des erfolgreichen Kriminalschriftstellers Andrew Wyke und des arbeitslosen Schauspielers Milo Tindle im Landhaus des Autors – das der Regisseur mit Kamin, Aquarium und geschwungener weißer Wand inklusive rustikaler Backsteineinlage aufwendig in den Wallgraben-Keller gebaut hat – durchaus das Zeug für einen Psychothriller. Doch dazu hätte das Spiel der Akteure einen anderen Verdichtungsgrad besitzen müssen. Dazu hätte es dem Regisseur gelingen müssen, die scheinbare Harmlosigkeit des Katz-und-Maus-Spiels, in das der betrogene Ehemann den jungen Liebhaber seiner Frau mit diabolischer Lust hineinzieht, in sich steigernde Beklemmung umkippen zu lassen.


Es sieht auf den ersten Blick ja nach einem wunderbar pragmatischen Arrangement zum Besten aller Beteiligten aus. Andrew Wyke, den Christian Lugerth mit souveränem Zynismus ausstattet: Ein Gentleman, der sich und die Situation allzeit unter Kontrolle hat und nur im funkelnden Blick aus Augenschlitzen etwas von seiner Gefühlslage verrät, schlägt Milo Tindle, der bei Jörg Nadeschdin eine Spur zu blauäugig daherkommt – er ist kein Gegner auf Augenhöhe – einen Deal vor. Bei einem fingierten Einbruch soll der Liebhaber den Schmuck der Gattin an sich bringen und verkaufen, um ihr den Lebensstil zu ermöglichen, den sie als verwöhnte Gefährtin eines Bestsellerautors gewohnt ist. Derweil kassiert ihr ehemaliger Besitzer – und das ist durchaus doppeldeutig zu verstehen: "Sie gehört mir. Ich habe mich an sie gewöhnt", wird er später entlarvend über die abwesende Marguerite kundtun – die Versicherungsprämie für die Juwelen ein.


Dass der Diebstahl allerdings in einem lächerlichen Nikolauskostüm ausgeführt werden soll, hätte Milo Tindle eigentlich warnen müssen. So aber nimmt ein teuflisch ausgeklügeltes Spiel seinen Lauf, dessen überraschende Wendungen hier nicht verraten werden dürfen. Natürlich ist das generöse und gelassene Entgegenkommen des gehörnten Ehemannes ("Sie wollen also meine Frau heiraten?") die pure Verstellung. Und natürlich geht es darum, dem Liebesdieb die erlittene Demütigung heimzuzahlen: nach allen Regeln der raffinierten Kunst, die Wyke als Krimischreiber beherrscht. Er spielt mit Tindle, als ob dieser eine Figur in einem seiner Bücher sei. Doch heißt es am Ende für ihn wirklich: Spiel, Satz, Sieg? Das herauszufinden lohnt einen Besuch der Aufführung. "Revanche" hat immerhin eins: einen höllisch intelligenten Plot mit Verblüffungsgarantie (Bettina Schulte, BZ).


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

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79098 Freiburg

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