Kritiken

Draußen vor der Tür von Wolfgang Borchert

Badische Zeitung vom 10.02.2011

Geballtes Leid und verzweifelte Wut haben sich in Wolfgang Borcherts Drama über den Kriegsheimkehrer Beckmann im Januar 1947 Bahn gebrochen. Innerhalb weniger Tage schrieb der Hamburger "Draußen vor der Tür", das zuerst als Hörspiel sein Publikum fand. Schon die Uraufführung als Theaterstück hat Borchert, der krank aus dem Krieg kam, nicht mehr erlebt. Seine Figur Beckmann ist so vom Grauen des Zweiten Weltkriegs geprägt, dass das Stück zwar als kollektiv erlebte Schicksalsschilderung in den ersten Nachkriegsjahren Erfolge feierte, später, als das "Wirtschaftswunder" die Beschäftigung mit dem Krieg verdrängte, jedoch in der Versenkung verschwand.

Doch weitere Jahre danach erinnerte man sich Wolfgang Borcherts beeindruckender, expressiver Klage erneut, denn tatsächlich ist sie nicht unabdingbar an ein einzelnes historisches Ereignis geknüpft: Bis heute kommen Soldaten körperlich und psychisch versehrt aus Kriegen in ein ihnen fremd gewordenes Zuhause, bis heute gibt es Außenseiter, die unbequeme Fragen stellen und Antworten einfordern. >br>Das Freiburger Wallgraben-Theater hat sich "Draußen vor der Tür" unter dieser Prämisse genähert und die Inszenierung von Regine Effinger, die jetzt Premiere hatte, in ein vom Land gefördertes kulturpädagogisches Projekt eingebettet, an dem 120 Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Monaten teilnahmen. Nicht nur Theatergeschichte und Geschichtswissen galt es hier zu vermitteln, sondern auch allgemeingültige Fragen etwa zu Verantwortung und Gewissen zu diskutieren. Natürlich ist Beckmann auch in Effingers Bearbeitung traumatisierter Kriegsheimkehrer. Er trägt einen Armeemantel, die berühmte groteske Gasmaskenbrille und den Bürstenschnitt. Er spricht von Gorodok und Stalingrad, von seinen entsetzlichen Alpträumen, in denen auf den Knochen der Getöteten Xylophon gespielt wird. Doch die anderen Figuren auf der schwarzen Bühne, die drei laufstegähnliche Ebenen hat, sind weniger eindeutig in eine Zeit gesetzt. Der Oberst in seinem kurzen Hausmäntelchen kann irgendein Großkopfeter sein, der zwar stets macht-, aber nie verantwortungsbewusst handelt. Der Theaterdirektor könnte ein Unternehmer aus jedem anderen Berufszweig sein – er denkt nur an seinen wirtschaftlichen Erfolg. Frau Kramer, die Beckmann mit einer so kalten Freundlichkeit vom Tod seiner Eltern berichtet – "na, da haben sie sich dann selbst endgültig entnazifiziert" –, steht stellvertretend für die Unbarmherzigkeit von Mitmenschen, die gelernt haben, zuerst und zuletzt nur an sich zu denken. Man kann nicht anders, als beeindruckt sein von diesen rund 100 intensiven Theaterminuten, die sechs exzellente Darsteller mit ungeheurer Präsenz und Präzision spielen. Otto Beckmanns Beckmann trifft mit seiner fassungslosen Verzweiflung über den unwiederbringlichen Verlust von Frau, Gesundheit, Lebenswillen und Heimat mitten ins Herz. Er landet ganz am Ende des Stücks, als niemand ihm mehr antwortet, auch sein Alter Ego, der Jasager (wunderbar coagierend: Sebastian Reich) oder das ausgeleuchtete Publikum nicht, auf der obersten Bühnenetage. Näher am Himmel vielleicht als alle anderen Figuren – weil er wenigstens nicht aufgehört hat zu fragen. Heinz Meier schwankt als Theaterdirektor überzeugend zwischen Jovialität und Härte, Peter Haug-Lamersdorf, Elisabeth Kressler und Lisbeth Felder müssen jeweils gleich drei Rollen und viele Garderobenwechsel bewältigen und finden stets die richtige Balance und einen angemessenen Ton.


Das Premierenpublikum belohnte die Leistung der Schauspieler und die kluge, feinfühlige Regie Regine Effingers mit langem Applaus. Das Gefühl, bewegt und berührt worden zu sein von diesem Theaterabend, verhallt längst nicht mit dem Beifall (BZ, Heidi Ossenberg)


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

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79098 Freiburg

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