Kritiken

Siegertypen ("National Anthems") von Dennis McIntyre

Badische Zeitung vom 19.03.2011

"Siegertypen": Bröckelnde Fassaden

Heidemarie Gohde hat Dennis McIntyres "Siegertypen" im Freiburger Wallgraben-Theater inszeniert. Das Stück überzeugt vor allem durch die Leistung des Schauspielertrios. Was wohl ist ein Siegertyp? Blöde Frage eigentlich, denn in Dennis McIntyres gleichnamigem Theaterstück liegt das glasklar auf der Hand: Ein Siegertyp ist einer wie Armani-Anzugträger Arthur Reed. Der verdient als Anwalt so viel Geld, dass er sich in einer angesagten Gegend ein tolles Haus leisten kann, das mit Möbeln aus Italien und einer Stereoanlage aus Dänemark eingerichtet ist, vor dessen Einfahrt ein Auto aus Deutschland steht.

Und Arthur hat eine Frau, die auf den ersten Blick wie ein Rauschgoldengel aussieht – auf Leslies Dekolleté, züchtig verdeckt von ihrem champagnerfarbenen Flatterkleid, liegt schwer eine riesige Goldkette. Nicht, dass das kinderlose Ehepaar Arthur und Leslie unsympathisch daherkommen. Als sie spät abends, die Partygäste sind gerade gegangen, Besuch von dem bislang unbekannten Nachbarn Ben bekommen, der sich sofort in die Rolle des Bewunderers begibt, da geben sie einfach höflich und freundlich Auskunft über das, was sie haben, denn das definiert auch das, was sie sind. So war das (nicht nur) Ende der 1980er Jahre in den USA, denn dort befinden wir uns auf Einladung von Regisseurin Heidemarie Gohde, die "Siegertypen" auf der Bühne des Freiburger Wallgraben-Theaters eingerichtet hat. Doch so höflich und freundlich bleibt es nicht.

Wer den einleitenden Text im Programmheft zu "Siegertypen" liest, könnte sich an das Setting von Edward Albees großartigem Theaterklassiker "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" aus den 1960er Jahren erinnert fühlen. Auch da bröckeln die Fassaden eines Ehelebens – angestoßen durch den Besuch von Fremden – befeuert durch zunehmenden Alkoholkonsum. Doch der früh verstorbene Amerikaner McIntyre ist nicht Albee. In seinem Stück bleibt dem Zuschauer selten das Lachen im Halse stecken, nie werden die Existenzen in ihrer Erbärmlichkeit und Verletzlichkeit so seziert, nie ist die Gesellschaftskritik so ätzend wie bei seinem Landsmann. Zumal nicht in der ersten Hälfte des Stücks, das auf einer Ebene leicht und unterhaltsam erzählt wird und in dem nur wenig auf eine dramatische Entwicklung hinweist.

Die freilich dann nach der Pause doch kommt: Ben, der Feuerwehrmann, hat weder das finanzielle noch das soziale Prestige, mit den Reeds mitzuhalten. Doch Ben und Arthur entdecken ein Feld, auf dem sie sich als Konkurrenten begegnen können: Football. Beide haben im College gespielt, beide waren natürlich großartig – was eindeutig durch diverse Verletzungen, die sie auf diesem Feld der Ehre erlitten haben, beweisbar ist. Bei dem irrwitzigen Spiel der Helden von damals muss sich auch Leslie positionieren. Schnell wird klar, dass es die Frau dorthin zieht, wo der Sieger ist. Wer also wird das improvisierte Spiel im Designerwohnzimmer gewinnen, wohin wird sich die Dreierkonstellation am Ende des zweistündigen Stückes entwickelt haben? Die Schwäche des Stücks, seine Harmlosigkeit, wird durch die Leistungen der drei Schauspieler Sybille Denker, Otto Beckmann und Till Kretzschmar deutlich aufgefangen. Denker als turtelnde Ehefrau, als besorgte Hausfrau, als pikierte Gastgeberin, vor allem aber als springende und tanzende Cheerleaderin ist von einer großartigen Präsenz und Glaubwürdigkeit. Otto Beckmann gibt den anfangs beherrschten, gut erzogenen Geschäfts- und Ehemann Arthur tadellos und vollzieht dann sehr authentisch die Wende zum großen kraft- statt hirngesteuerten Buben, der seine Männlichkeit verteidigen muss. Kretzschmar schließlich beherrscht alle Nuancen eines nach außen hin tapferen, im inneren jedoch zutiefst verletzten Mannes. Sein Ben leidet darunter, dass seine Heldentat – er hat eine Frau aus einem brennenden Haus gerettet – in einer Welt, die auf Konsum und Materialismus geeicht ist, nicht zählt. Wer Sieger- und wer Verlierertyp ist in dieser – längst nicht vergangenen – Zeit, das hat Dennis McIntyre in seinem Stück klar beantwortet.
Großer Premierenapplaus vor allem für ein überzeugend agierendes Schauspieltrio.(BZ,Heidi Ossenberg)


Wallgraben Theater
Das kleine Schauspielhaus in Freiburg

Wallgraben Theater

Rathausgasse 5a
79098 Freiburg

Gefördert durch
Deutscher Bühnenverein